Innerhalb des Agilen Gedankenguts wird oft von „fixed vs growth mindset“ gesprochen. Bei einer Agilen Denkweise, die ja auch agil sein soll, liegt es auf der Hand, dass dies zur Diskussion steht. Ein growth mindset wird sogar als Voraussetzung dafür angesehen, dass ein Unternehmen agil wird. Aber was ist ein growth mindset und, was vielleicht noch interessanter ist, wie kommt man von einem fixed mindset zu einem growth mindset?
Carol Dweck hat in der Vergangenheit das Phänomen des „fixed vs growth mindset“ in den Vordergrund gestellt. Durch Forschung hat sie gezeigt, dass ein growth mindset für die Entwicklung von Kindern und Erwachsenen sehr wichtig ist.
Was ist ein growth mindset?
Ein growth mindset ist eine Denkweise, die auf Wachstum ausgerichtet ist und davon ausgeht, dass Intelligenz entwicklungsfähig ist. Wenn Sie ein growth mindset haben, glauben Sie daran, dass Sie Ihre Fähigkeiten durch Hingabe und harte Arbeit weiterentwickeln können. Dies setzt voraus, dass Ihre Gehirnkapazität flexibel ist und daher zunehmen kann. Und das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Denn Studien zeigen, dass die Gehirnkapazität bis ins hohe Alter zunehmen kann.
Zurück zum Agilen Gedankengut und insbesondere zum Übergang zu einer Agilen Arbeitsmethode. Viele Unternehmen kommen zu dem Schluss, dass die heutige Arbeitswelt von ihnen erwartet schnell auf Veränderungen reagieren zu müssen. Die Übernahme der Agilen Denkweise und die Implementierung eines agilen framework wie Scrum oder Kanban sind dann schnell „ausgedacht“. Der Erfolg der Umstellung steht und fällt jedoch mit der Einstellung der Menschen, die in dem Unternehmen arbeiten. Und dann stellt sich die Frage: Wie bringe ich die Menschen in meinem Unternehmen von einem fixed zu einem growth mindset?
Es gibt verschiedene Wege, um das zu erreichen. Für mich beginnt es mit der Beobachtung, was die Grundlage für ein fixed oder ein growth mindset ist. In der Tat sind Ihre Überzeugungen die Grundlage für die Denkweise, die Sie haben. Überzeugungen steuern Ihre Gefühle und Ihr Verhalten. Sie bilden sich im Laufe des Lebens auf der Grundlage von Ereignissen. Wenn zum Beispiel in der Vergangenheit viel Wert auf das Scheitern gelegt wurde, wenn man etwas Neues ausprobiert hat, dann kann die Überzeugung entstehen, dass „ich nicht in der Lage bin, neue Dinge erfolgreich anzugehen“. Dies führt zu einem fixed mindset, in der der Agile Übergang von vornherein als Misserfolg abgetan wird.
Wie können wir ein fixed mindset in ein growth mindset umwandeln?
Die Acceptance Commitment Therapy (ACT) ist eine Verhaltenstherapie, die Antworten auf diese Frage gibt. ACT lehrt Sie, Ihr Verhalten auf das zu lenken, was für Sie wesentlich ist. Sie lernen mit Ängsten und Glaubenssätzen umzugehen, die zu unerwünschtem Verhalten führen.
Die Methode beruht auf dem Mechanismus, dass wir Menschen unangenehme Gefühle vermeiden wollen. Um Schmerz, Unruhe, Angst und Traurigkeit zu meiden, werden sogenannte Kontrollstrategien entwickelt. Kurzfristig führt dies zu Ergebnissen, da das unangenehme Gefühl vermieden wird. Langfristig wirkt es sich jedoch in vielen Fällen negativ aus, da das Verhalten uns von dem abhält, was wir als wichtig empfinden.
Ein einfaches Beispiel: jemand zögert es hinaus einen Kollegen anzurufen. Die Begründung kann lauten: „Mein Kollege muss mit etwas Wichtigem beschäftigt sein und ich möchte ihn nicht stören“. Der Gedanke trotzdem anzurufen, löst ein ungutes Gefühl aus. Dieser Glaube ist möglicherweise entstanden, weil ein Kollege in der Vergangenheit auf einen Anruf verärgert reagiert hat. Die Kontrollstrategie könnte dann lauten: „Ich verschiebe den Anruf, bis ich den Kollegen persönlich treffe“. So vermeiden Sie das unangenehme Gefühl, aber Sie haben vielleicht ein Anliegen, die für die ordnungsgemäße Durchführung Ihrer Arbeit wichtig ist. Dadurch entsteht dann Druck.
Wenn wir dies auf eine Agile Umstellung übertragen, könnten Menschen mit einem fixen mindset Angst haben, in der neuen Arbeitsweise zu versagen. Um das unangenehme Gefühl zu vermeiden, das der bloße Gedanke daran auslöst, werden sie alles dafür tun um die Umstellung nicht mitmachen zu müssen. Dadurch wird sichergestellt, dass sie das unangenehme Gefühl vorerst vermeiden. Langfristig könnte dies jedoch bedeuten, dass sie nicht mehr zum Team gehören und vielleicht sogar entlassen werden. Was wirklich wichtig ist, dass sie beispielweise finanziell für ihre Familie sorgen müssen, gerät hier unter einen enormen Druck.
Die 6 Säulen innerhalb von ACT
In der ACT gibt es sechs Säulen, die in Kombination angewandt werden um sich von unerwünschtem Verhalten zu distanzieren:
Werte: was Ihnen wirklich wichtig ist und was Sie leben wollen;
Kontrollstrategie/Akzeptanz: nicht mehr weglaufen, sondern tun, was man tun muss;
- Defusion: sich von seinem Selbstbild, seinen Gedanken und Überzeugungen lösen;
- Achtsamkeit: mit Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt leben, ohne zu urteilen;
- Das Selbst als Kontext: sich all seiner Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen bewusst werden;
- Wertorientiertes Handeln.
In diesem Artikel möchte ich auf 3 der oben genannten Säulen eingehen: (i) Kontrollstrategie/Akzeptanz, (ii) Defusion und (iii) wertorientiertes Handeln.
3 Schritte, die ein growth mindset fördern
Wie bereits erwähnt, werden Kontrollstrategien eingesetzt, um unangenehme Gefühle zu vermeiden. Der erste Schritt, um diese Kontrollstrategien loszulassen, besteht darin zu lernen das unangenehme Gefühl zu akzeptieren das aufkommt, wenn etwas Neues ausprobiert werden muss, wie zum Beispiel der Gedanke, dass es wieder scheitern wird. Dieses unangenehme Gefühl lässt sich nicht vermeiden. Das einzige was Sie tun können, ist zu akzeptieren, dass dieses Gefühl da ist. Sie können das unangenehme Gefühl als Signal nutzen, dass Sie im Begriff sind, eine Kontrollstrategie in die Tat umzusetzen.
Schritt 2 besteht darin für sich selbst zu prüfen, ob der Gedanke oder die Überzeugung, die Sie haben, real ist. Das nennt man „Defusion“: sich von seinem Selbstbild, seinen Gedanken und Überzeugungen lösen. Natürlich sind in der Vergangenheit Dinge schief gelaufen, aber ist das Umfeld jetzt nicht anders, sodass wir scheitern oder lernen können? Oder: Diesmal wird es gut laufen, weil die Umstände anders sind oder ich meine Fähigkeiten so weit entwickelt habe, dass die Erfolgschancen viel größer sind.
Der dritte Schritt besteht darin festzustellen was wichtig oder wertvoll ist und auf dieser Grundlage zu entscheiden, welcher Schritt zu unternehmen ist. Hier legt man die Kontrollstrategie beiseite und tut das was wirklich wertvoll ist, trotz des unangenehmen Gefühls, das sich daraus ergibt.
Andere Wege zur Entwicklung eines growth mindsets
Zusätzlich zu den Werkzeugen die ACT uns mit an die Hand gibt, können Sie Menschen auch auf folgende Weise helfen, ein growth mindset zu entwickeln:
Bieten Sie nützliche Erfolgserlebnisse
Unterteilen Sie den Veränderungsprozess in kleine Schritte, damit die Ergebnisse der Veränderung schnell spürbar werden. Positive Ergebnisse werden Ihnen helfen dem Wandel mit mehr Selbstvertrauen zu begegnen. Eine nützliche Lernerfahrung kann auch sein, dass etwas schief geht, aber niemand dafür verurteilt wird;- Schaffen Sie eine risikofreie Lernumgebung
Vertrauen vermitteln, dass Lernen erlaubt ist. Mit anderen Worten: Es muss nicht alles beim ersten Mal klappen. Sorgen Sie für eine offene Kommunikation über den Prozess, der durchlaufen wird. Geben Sie ein Beispiel, indem Sie Verletzlichkeit zeigen; - Geben Sie Feedback über den Prozess und nicht über das Ergebnis
Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass Feedback zum Prozess für die Entwicklung eines growth mindets wichtiger ist als Feedback zum Endergebnis. Es ist jedoch wichtig, dass dieses Feedback zu dem gegeben wird, worauf man direkten Einfluss hat: Geben Sie also Feedback zu den ergriffenen Maßnahmen und nicht z. B. zur Intelligenz.
Was können Sie als Scrum Master oder Agile Coach damit anfangen?
Zunächst einmal ist es wichtig zu erkennen, dass Überzeugungen eine wichtige Rolle in der Denkweise eines Menschen spielen. Der nächste Schritt kann darin bestehen, mit Menschen mit einem fixed mindset zu sprechen und ihnen Einblick in ihre Überzeugungen und die von ihnen verwendeten Kontrollstrategien zu geben. Gemeinsam können Sie dann feststellen was ihnen wichtig erscheint, sodass sie eine fundierte Entscheidung treffen können, ob sie eine Kontrollstrategie anwenden oder das tun sollen was ihnen wichtig ist.
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